Nanotemper Technologies GmbH

Philipp Baaske: Unternehmer wird Erklärer an der Universität

Philipp Baaske, Mitgründer der Firma Nanotemper Technologies GmbH, zieht sich aus dem operativen Geschäft zurück, um sich auf den neuen Job als „Innovationsminister“ zu konzentrieren: als Vizepräsident der Ludwig-Maximilians Universität (LMU). In der aktuellen Ausgabe von |transkript gab er einen Einblick in seine Erfahrungen als Unternehmer in Bezug auf die Unternehmensentwicklung durch neue Produkte. Diese entstehen nicht im Thinktank der Firma, sondern im Kontakt mit dem Kunden, der als Entwicklungspartner gesehen werden sollte. Zudem weist Baaske auf die Chancen für Europa hin, gerade in den unsicheren Zeiten und in der Mitte von Handelskonflikten zwischen West und Fernost, enger zusammenzurücken und eine neue Gründerepoche zu starten. Seit Oktober ist er Vizepräsident der Ludwig-Maximilians-Universität. Seine Tätigkeit beim Unternehmen hat er niedergelegt.

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Philipp Baaske ist ein umtriebiger Unternehmer aus München, der seit einiger Zeit gerade in den sozialen Medien eine Art Life Science-Influencer-Status erreicht hat. Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge die viel Aufmerksamkeit erzeilen aber oft auch ausgedehnte Diksussionen auslösen. Kürzlich postete er bei LinkedIn ein Statement: „Deutschland ist Weltklasse in der Wissenschaft. Aber wir sind schwach darin, diese Stärke in wirtschaftlichen Wert zu übersetzen.“ Ein „ideales Ökosystem“, so Baaske weiter, dürfe nicht nur den Weg von der Idee bis zum Verkauf skizzieren. Exits führten allzu oft dazu, dass Technologien und Vermögen ins Ausland abwanderten. Nachhaltigen Wohlstand schafften dagegen Unternehmen, die blieben, Steuern zahlten und Jobs über Jahrzehnte sicherten. Als Beleg verwies er auf die gemeinsam mit Stefan Duhr aus der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) ausgegründeten NanoTemper: diese habe 200 Arbeitsplätze weltweit geschaffen, erziele 364 Mio. Euro Umsatz, zahle davon 44,8 Mio. Euro Steuern – und habe diesen Weg als Produktfirma (fast) ohne externes Kapital, sondern aus eigener Kraft beschritten. Nun wechselt Baaske vom Vorstandsposten auf den Posten des Vizepräsidenten für Entrepreneurship der LMU und lässt seine Arbeit beim Unternehmen ruhen. |transkript sprach im August 2025 mit Philipp Baaske über den Werdegang und seine Erfahrungen mit dem Gründen. Auch als Business Angel ist er aktiv.

transkript. Herr Baaske, nach dem erfolgreichen Aufbau eines Unternehmens, ist da die Versuchung groß, mit einem Patentrezept der eigenen Erfahrung an die nächste Generation Gründer heranzutreten? Eine Art Baukastenprinzip wie in einem Lehrbuch vermitteln zu wollen?

Philipp Baaske. Patentrezepte für Unternehmenserfolg gibt es nicht. Für Gerätehersteller gilt aber allgemein: Der Kunde entscheidet. Deshalb muss man seine Kunden und Kundengruppen genau kennen, verstehen – und sie auch mal überraschen. Das gelingt aber nur, wenn man weiß, was überhaupt eine Überraschung wäre.

transkript. Wo entsteht dieses Kundenwissen? Wie bringt man dieses mit der eigenen Unternehmensstrategie überein, die üblicherweise in diversen Meetings erarbeitet wird?

Baaske. Beides erfordert ein offenes Ohr. Einmal in Richtung Kunde und zum anderen in das Team hinein. Das heißt nicht, dass man endlose Meetings braucht. Es ist eher Fingespitzengefühl gefragt – auch dafür, wo man sich als Manager nicht einmischen sollte, wie etwa in tiefe technische Details.

transkript. Also nochmal zurück zur eigentlichen Frage: wo und wie findet der Kundenwunsch den Weg in die Strategiesitzung und aus dieser wieder hinaus in die Unternehmensentwicklung?

Baaske. Unser eigener Werdegang hat gezeigt: Innovation entsteht beim Kunden und mit dem Kunden. Dafür muss man nicht im Meetingraum sitzen, sondern vor Ort beim Kunden stehen, seine Probleme verstehen und Lösungen entwickeln – gemeinsam mit ihm.

transkript. Das ist aber nicht der CEO, der beim Kunden steht, oder?

Baaske. Deshalb bin ich persönlich für Nanotemper auch jetzt gar nicht mehr so wichtig. Entscheidend sind unsere technischen Teams und die Kollegen draußen beim Kunden, die die nächste Innovation entwickeln. Ich kann höchstens Impulse einsammeln und weitergeben, sozusagen den „Außenminister“ der Firma spielen. Doch unser neu aufgebautes Management Team trägt operativ längst die Hauptverantwortung und hat durch die Kundennähe ein viel besseres Gespür für die Marktsituation.

transkript. Ist diese Kundenorientierung etwas für den Start des Unternehmens, für einzelne Schritte oder sollte das zur eigenen DNA gehören?

Baaske. Eine Problemlösung für einen Kunden entwickeln, das kann jeder Gründer, überall. Wir waren nie in einem Gründerzentrum, sondern haben im Keller der LMU angefangen. Nur für die erste Expansion haben wir etwas Fremdkapital aufgenommen. Den ersten Geräteverkauf haben wir genutzt, um die nächste Produktion zu finanzieren. Und mit Hilfe unserer Kunden machen wir heute etwas ganz anderes als zu Beginn der Reise. Unser Kunde ist unser Entwicklungspartner. Das ist unsere DNA.

transkript. Heute sieht man viel mehr Gründerzentren als zur Gründung von nanotemper. Ist die Lage besser?

Baaske. Heute ist die Infrastruktur für Gründer deutlich besser! Auch das Mindset und das Niveau der Businesspläne, die ich lese, sind höher als zu unserer Zeit. Das Potential ist also größer und ich sehe auch einen klaren politischen Willen zur Untersützung.

transkript. Nun ist unsere Gegenwart von viel Unsicherheit geprägt. Deutschland und Europa befinden sich in einer Art Sandwich-Lage zwischen den USA und China und unklaren politischen Signalen und Strategien in West und Ost.

Baaske. Angesichts des Drucks von außen wird doch nun immer deutlicher, dass wir in Europa stärker zusammen denken müssen. Dieser Druck zwingt uns regelrecht, enger zusammenzurücken. Von dieser Lage erwarte ich mir eine neue „Gründerzeit“ in Europa. Dieser Druck entsteht zwar aufgrund einer kritischen Lage, aber er kann auch als enormer Katalysator wirken.

transkript. Viele blicken aber fast ein wenig angstvoll wie gelähmt auf die nächste skurrile Schlagzeile aus Washington oder das nächste Auftrumpfen aus Fernost. Fehlt noch der berühmte „Ruck“?

Baaske. Da ich nicht weiß, was Trump tun wird, und keinen Sinn darin sehe, ständig auf das nächste Statement aus den USA zu warten, schaue ich stärker selbst nach den dynamischen Entwicklungen. Nach Asien, ja. Aber beispielsweise liegt ja Afrika viel direkter vor unserer Haustür – mit einer stark wachsenden Bevölkerung. Worauf muss ich also warten? In Europa sagen wir immer: „Oh Gott, was macht Trump? Was macht China?“ Stattdessen sollten wir einfach selbst handeln. Was die USA oder China tun, können wir ohnehin nicht beeinflussen. Aber wir können unsere eigenen Entscheidungen treffen. Ich warte nicht auf Impulse von außen, sondern konzentriere mich darauf, was wir selbst gestalten können.

transkript. Ist das ein unternehmerischer Blick auch auf die Geopolitik?

Baaske. Das mag sein, dass ich so geprägt bin. Es gilt auch für Start-ups, Investments oder die Unternehmensentwicklung insgesamt: Immer den Blick weiten und schauen, wo andernorts ebenfalls spannendes Potential entsteht. Es geht immer um die Balance von Risiko und Chance, aber nie ums Abwarten.

transkript. Aber bei einem Investment, gerade in ein Start-up, spielen viele weitere Aspkete auch eine Rolle. Was steht für Sie da besonders im Fokus?

Baaske. Bei meinen persönlichen Investments betrachte ich sehr stark die Teams. Ich achte sehr darauf, ob ein Team so aufgestellt ist, dass es Konflikte aushalten kann. Gibt es Mechanismen, um unvermeidliche Konflikte zu lösen? Können die Teammitglieder einander zuhören, sind sie lernfähig? Darauf schaue ich genau und ich investiere nur in technische Bereiche, die ich selbst verstehe. Das zieht eine enge Grenze.

transkript. Sind Unternehmer, gerade auch Gründer, überhaupt eine wichtige Bezugsgröße für die Gesellschaft?

Baaske. Über Unternehmertum wird viel diskutiert, oft auch über Gerechtigkeit, Vermögen oder Umverteilung. Für mich ist klar: Unsere Gesellschaft braucht eine soziale Marktwirtschaft, und diese braucht profitable Unternehmen. Nur mit Profit – erarbeitet durch die Beschäftigten, die wiederum selbst Steuern zahlen – kann die öffentliche Infrastruktur finanziert werden, die Firmen wiederum erfolgreich macht.

transkript. Und deswegen darf man Reichtümer anstreben?

Baaske. Profitabilität ist deshalb ein Auftrag an jedes Unternehmen. Hohe Umsätze allein beeindrucken mich nicht. Am Ende zählt, ob ein Unternehmen profitabel ist. Nur damit kann man auch wieder etwas an die Gesellschaft zurückgeben.

transkript. Sie vergleichen ein Unternehmen oft mit einer Dorfgemeinschaft, warum passt dieses Bild für Sie?

Baaske. Mein eigenes Dorf in Nordbayern ist mir zu klein geworden, deshalb bin ich nach München gegangen. Das Bild eines Dorfs passt gut zu einem mittelständischen Unternehmen. Bei Nanotemper beschäftigen wir heute so viele Menschen, wie in meinem Heimatdorf gelebt haben. Auch die Firma ist eine Dorfgemeinschaft: Man kennt sich, trifft sich, vertraut sich und baut das gemeinsame Dorf Stück für Stück größer. Oft ist man auch eine verschworene Gemeinschaft im Wettbewerb gegen viel Größere. Da denke ich oft an das kleine gallische Dorf bei Asterix und Obelix.

transkript. Organisches Wachstum ist dabei aber oft sehr langsam, die Größeren kaufen sich Wachstum schneller dazu.

Baaske. Auch bei Nanotemper gehört mal eine Firmenakquisition dazu. Wir wollen auch anorganisch wachsen. Aber wir überheben uns nicht, wir bezahlen aus dem Cashflow.

transkript. Vom Unternehmensentwickler werden Sie nun zum Erklärer für neue Gründer. Was bedeutet Ihre neue Rolle an der LMU?

Baaske. In meiner neuen Rolle an der LMU liegt mein Fokus darauf, das enorme Potential aus der Forschung zu heben und sichtbarer zu machen. Am Anfang geht es für mich darum, zuzuhören und auf dieser Basis Dinge weiterzuentwickeln. Im Präsidium wollen wir eine klare Strategie und Richtung festlegen, über die wir uns aber noch austauschen.

transkript. Ist die LMU denn ganz blank in der Thematik Gründungen?

Baaske. Nein! Die LMU hat bereits viel: ein Referat für Technologietransfer, das IEC (Innovation & Entrepreneurship Center), Exzellenz-Cluster. Ich falle da nicht in ein Loch und muss allen das Einmaleins beibringen.

transkript. Was reizt Sie besonders?

Baaske. Ich bin am Puls der Forschung und der Unternehmen der Zukunft. Mir ist es wichtig, die Chancen und Relevanz von Entrepreneurship nach innen wie nach außen zu verdeutlichen und mitzuhelfen, die Potentiale zu erkennen.

Das Interview, geführt von Redaktionsleiter Dr. Georg Kääb, erschien Ende September in |transkript 3/25.

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